Hypophyse

Hypophyse

Die Hypophyse ist das wichtigste Steuerungsorgan im menschlichen Hormonsystem. Es handelt sich um eine kleine, tropfenförmige Hormondrüse, die gut geschützt in einer knöchernen Wanne inmitten des Schädels liegt. Ein dünner Stiel verbindet sie mit dem Hypothalamus, der Teil des Gehirns ist – daher auch die deutsche Bezeichnung „Hirnanhangsdrüse“. Hypophyse und Hypothalamus bilden zusammen eine Funktionseinheit. Die Hypophyse selbst setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem Vorderlappen und einem Hinterlappen. Während der Vorderlappen eine Reihe verschiedener Hormone produziert, dient der Hinterlappen als Speicherorgan für bestimmte Hormone des Hypothalamus.

Wenn die Steuerzentrale aus dem Lot gerät

Die Hypophyse produziert – mit wenigen Ausnahmen – sogenannte Steuerhormone, die wiederum andere Hormondrüsen dazu anregen, selbst Hormone zu bilden. So sind Schilddrüse, Nebennieren, Hoden und Eierstöcke von Signalen der Hypophyse abhängig. Dementsprechend weitreichend sind die Folgen, wenn die Hypophyse nicht so arbeitet, wie sie soll. Das fein austarierte System der Hormone gerät dann aus dem Gleichgewicht, wichtige Hormone werden nicht oder nicht in der richtigen Menge gebildet.

Hypophysen-Erkrankungen: Selten, aber schwerwiegend

Hypophysen-Erkrankungen sind insgesamt selten, die dazugehörigen Symptome vielfältig und oft diffus. Es kann zu einer Mischung verschiedener Krankheitsbilder oder Beschwerden kommen, die manchmal schwer zu entschlüsseln sind. Erkrankungen der Hypophyse gehören daher unbedingt in die Hände spezialisierter Endkrinolog:innen. Falls bei Ihnen eine Raumforderung der Hypophyse festgestellt wurde oder der Verdacht auf eine Funktionsstörung besteht, führen wir in unserem endokrinologischen Zentrum die erforderliche Diagnostik durch, einschließlich spezieller Funktionstests. So können wir gemeinsam eine individualisierte Therapie planen.
Zu den häufigsten Erkrankungen der Hypophyse zählen:

Hypophysen-Insuffizienz

Bei einer Hypophysen-Insuffizienz fallen Hormone der Hypophyse ganz oder teilweise aus. Weil die Hormone der Hypophyse aber andere Hormondrüsen regulieren, hat das weitreichende Auswirkungen. So sind beispielsweise Geschlechtsdrüsen, Nebennieren oder Schilddrüse von Signalen der Hypophyse abhängig. Je nachdem, welches Hormonsystem betroffen ist und in welchem Ausmaß, kann eine Hypophysen-Insuffizienz eine ganze Reihe unterschiedlicher Beschwerden und Krankheitsbilder verursachen. Diese stellen sich eher schleichend und meist zeitlich versetzt ein, weil einige hormonproduzierende Zellen in der Hypophyse empfindlicher sind als andere. Oft fällt zuerst das Wachstumshormon (GH) aus. Dadurch kann bei Kindern das Wachstum ausbleiben, während Erwachsene oft unter Übergewicht und Störungen des Fettstoffwechsels leiden. Auch die Hormone FSH (follikel-stimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) sind häufig betroffen. Fallen diese Hormone aus, dann kommt es zu einem Mangel an Geschlechtshormonen.

Weitere seltene, aber unbehandelt potenziell lebensbedrohliche und daher sehr relevante Hormonausfälle sind ein Mangel an TSH (thyreoidea-stimulierendes Hormon) sowie ACTH (Adrenocorticotropes Hormon). Das kann eine Schilddrüsen- oder Nebenniereninsuffizienz verursachen.

Es kann verschiedene Ursachen für eine partielle (teilweise) oder totale (vollständige) Hypophysen-Insuffizienz geben. Zu den häufigsten Ursachen zählen Raumforderungen (meist Adenome) der Hypophyse, die gesunde Drüsenzellen verdrängen oder beeinträchtigen. Seltener sind Kopfverletzungen, Gehirnblutungen, Autoimmunerkrankungen oder medizinische Behandlungen wie eine Bestrahlung im Kopfbereich dafür verantwortlich, dass die Hormonproduktion ins Stocken gerät.

Ist eine Hypophysen-Insuffizienz erst einmal erkannt, lassen sich die fehlenden Hormone meist medikamentös ersetzen. Liegt eine Raumforderung der Hypophyse als Ursache zugrunde, dann kann je nach Art und Größe eine Operation sinnvoll sein.

Diabetes insipidus

Im Hypophysen-Hinterlappen wird das vom Hypothalamus produzierte Antidiuretische Hormon (ADH) gespeichert und nach Bedarf freigesetzt. ADH ist für die Regulation des Wasserhaushalts wichtig. Es regt die Nieren dazu an, den Urin stärker zu konzentrieren und so lebensnotwendiges Wasser im Körper zurückzuhalten.

Durch eine Störung im Bereich von Hypothalamus oder Hypophyse kann es zu einem Mangel an ADH kommen. Die Folge ist ein sogenannter Diabetes insipidus: Betroffene scheiden unablässig sehr hohe Mengen an stark verdünntem Urin aus und leiden parallel dazu unter starkem Durst. Unbehandelt besteht die Gefahr einer potenziell tödlichen Dehydration (innerliches Austrocknen). Ein Diabetes insipidus kann auf eine Entzündung im Bereich der Hypophyse oder seltene vom Hypophysenhinterlappen ausgehende Raumforderungen des Hypothalamus zurückgehen. Dann kommen als Behandlung eventuell eine Operation oder eine Strahlentherapie in Frage. Manchmal lässt sich aber keine genaue Ursache finden. Dann können bei einem schweren Verlauf Medikamente gegeben werden, die den Wasserhaushalt regulieren.

Hypophysen-Adenome

Hypophysen-Adenome sind gutartige Raumforderungen der Hypophyse, die nicht immer Beschwerden verursachen. Häufig werden sie als Zufallsbefund bei bildgebenden Untersuchungen entdeckt, die eigentlich zur Abklärung anderer Beschwerden veranlasst wurden. Auch wenn Adenome der Hypophyse oft harmlos sind, sollten sie endokrinologisch überprüft werden. Denn manche von ihnen bilden unkontrolliert Hormone, wodurch ein krankhafter Hormon-Überschuss entsteht. Bei größeren Adenomen kann es vorkommen, dass sie gesundes Gewebe verdrängen oder in seiner Funktion stören. Dann stellt sich eventuell ein Hormonmangel bzw. eine Hypophysen-Insuffizienz ein. Manchmal drückt ein Adenom auch auf den benachbarten Sehnerv und führt so zu einer Einschränkung des Gesichtsfelds.

Prinzipiell kann aus jeder Art hormonproduzierender Zellen in der Hypophyse ein Adenom hervorgehen. Je nachdem, welches Hormonsystem genau betroffen ist, unterscheiden Mediziner:innen verschiedene Arten von Hypophysen-Adenomen. Die häufigste Art sind sogenannte Prolaktinome. Auch die selteneren Krankheitsbilder Morbus Cushing und Akromegalie können auf Hypophysen-Adenome zurückgehen.

Prolaktinome

Prolaktinome sind Hypophysen-Adenome, die im Übermaß das Hormon Prolaktin freisetzen. Prolaktin ist ein wichtiges weibliches Reproduktionshormon. Es wird normalerweise vermehrt während Schwangerschaft und Stillzeit ausgeschüttet, um die Milchproduktion anzuregen. Außerdem unterdrückt es den Eisprung. Wird außerhalb von Schwangerschaft und Stillzeit zu viel Prolaktin freigesetzt, dann sind bei Frauen häufig Zyklusstörungen und Unfruchtbarkeit die Folge. Langfristig begünstigt die Hormonstörung die Entstehung einer Osteoporose (Knochenschwund).

Prolaktinome können auch bei Männern auftreten. Der zu hohe Prolaktin-Spiegel hemmt die Produktion von männlichen Geschlechtshormonen, was Libidoverlust, Potenzstörungen und Unfruchtbarkeit, eventuell auch ein Brustwachstum zur Folge haben kann. Bei beiden Geschlechtern kann der zu hohe Prolaktin-Spiegel außerdem zu anhaltenden Kopfschmerzen führen.

Prolaktinome lassen sich in der Regel gut medikamentös behandeln. Dabei werden meist sogenannte Dopamin-Agonisten gegeben, die die Ausschüttung von Prolaktin unterdrücken. Oft wird das Prolaktinom dadurch auch kleiner oder verschwindet sogar ganz.

Morbus Cushing

Bei einem Morbus Cushing liegt ein Überschuss des Hormons Cortisol vor, das in der Nebennierenrinde gebildet wird. Die Ursache kann in einer Überproduktion des Steuerhormons ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) in der Hypophyse liegen. Cortisol wird umgangssprachlich auch „Stresshormon“ genannt, weil es die Bereitstellung von Energie in Stresssituationen unterstützt. Dazu wirkt es unter anderem auf den Blutzuckerspiegel, den Blutdruck sowie die Atem- und Herzfrequenz ein. Normalerweise unterliegt die Ausschüttung von ACTH und Cortisol einem Regelkreis, so dass immer nur so viel Cortisol freigesetzt wird, wie der Organismus gerade benötigt.

Wenn aber ein Hypophysen-Adenom unkontrolliert ACTH freisetzt, dann ist der Cortisol-Spiegel dauerhaft erhöht. Das hat weitreichende Auswirkungen auf Stoffwechsel und Kreislauf. Ein typisches Symptom der Erkrankung ist eine Gewichtszunahme, vor allem durch Fetteinlagerungen am Körperstamm, während Arme und Beine schlank bleiben bzw. es dort zu einer Abnahme der Muskelmasse kommt. Die Blutzucker- und Insulinwerte sind oft erhöht, was zu einem Diabetes mellitus führen kann. Auch der Blutdruck steigt, weil Cortisol auf das Blutdruckregulationssystem in der Niere einwirkt. Zudem geht ein Überschuss an Cortisol mit einem erhöhten Osteoporose-Risiko einher. Bei Frauen bleibt häufig die Menstruation aus, und es kann zu einer vermehrten Körperbehaarung (Hirsutismus) kommen.

Bei Verdacht auf einen Morbus Cushing ist eine genaue Differentialdiagnostik wichtig, denn die Ursache kann u.a. auch in Tumoren der Nebennieren liegen. Bei einer längerfristigen Einnahme von Glukokortikoiden (Kortison-Präparaten) tritt oft ein ähnliches Krankheitsbild auf, das man als Cushing-Syndrom bezeichnet. Liegt tatsächlich ein Hypophysen-Adenom zugrunde, dann wird dieses meist operativ entfernt.

Akromegalie

In seltenen Fällen führt ein Hypophysen-Adenom zu einer unkontrollierten Ausschüttung des Wachstumshormons Somatotropin. Dieses Hormon steuert Knochen- und Muskelwachstum, wirkt aber u.a. auch auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel ein. Bei Kindern bewirkt der Überschuss an Somatotropin ein übermäßiges Wachstum. Im Erwachsenenalter, nachdem sich die Wachstumsfugen der Knochen geschlossen haben, ist zwar kein weiteres Längenwachstum möglich. Bestimmte Körperteile können aber an Größe zunehmen, vor allem die Endigungen des Körpers wie Hände, Füße, Nase und Unterkiefer. Betroffen sind auch innere Organe wie Herz, Leber oder Dickdarm.

Der Überschuss an Wachstumshormon führt auch zu einer Reihe an teils schwerwiegenden Begleiterkrankungen und Nebensymptomen. So leiden Betroffene häufig an andauernder Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Auch Kopfschmerzen, Sehstörungen und schmerzhafte Gelenksarthrosen sind verbreitet. Darüber hinaus kann es zu Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, erhöhten Blutfetten oder Herzschwäche kommen.

Da die Akromegalie sehr selten ist und sich die Symptome schleichend einstellen, ist die Erkrankung oft schwer zu erkennen. Die Behandlung besteht in einer operativen Entfernung des Hypophysen-Adenoms, das die unkontrollierte Wachstumshormon-Ausschüttung verursacht. Ist das nicht oder nicht vollständig möglich, kommen eine medikamentöse Behandlung oder in seltenen Fällen auch eine Strahlentherapie in Frage.

FAQs

Die Hypophyse ist gemeinsam mit dem Hypothalamus für die Regulation des Hormonhaushalts und damit für die Steuerung fast aller Körperfunktionen zuständig. Zu diesem Zweck setzt sie verschiedene Hormone frei. Die meisten davon wirken wiederum steuernd auf andere Hormondrüsen oder Organe wie Nebennieren, Schilddrüse, Hoden oder Eierstöcke ein. Zu den wichtigsten Hormonen der Hypophyse zählen:

  • Wachstumshormon (Somatotropes Hormon, STH)
  • Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
  • Luteinisierendes Hormon (LH)
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)
  • Adrenocorticotropes Hormon (ACTH)

Wie fast alle Hormondrüsen ist auch die Hypophyse in verschiedene Rückkopplungs-Kreisläufe eingebunden. Das heißt, sie besitzt Rezeptoren für andere Hormone und stimmt ihre Hormonproduktion normalerweise genau auf den jeweiligen Bedarf ab.

Produziert die Hypophyse aus diversen Gründen zu viel oder zu wenig an Hormonen, dann geraten viele hormonelle Kreisläufe aus dem Gleichgewicht. Denn die von der Hypophyse gesteuerten Hormondrüsen arbeiten dann ebenfalls nicht so, wie sie eigentlich sollten. Die auftretenden Beschwerden hängen davon ab, welche Hormone genau betroffen sind. Oft überlagern sich mehrere verschiedene Symptome oder Krankheitsbilder, was die Diagnose schwierig machen kann.

Um Raumforderungen und / oder Funktionsstörungen der Hypophyse abzuklären, werden meist spezielle Bluttests gemacht. Da viele Hormone der Hypophyse im Zeitverlauf in sehr stark schwankenden Mengen ausgeschüttet werden, reicht eine einfache Messung des Hormonspiegels aber meist nicht aus. Deshalb kommen spezielle endokrinologische Funktionstests zum Einsatz, durch die sich Störungen hormoneller Regelkreise besser erkennen lassen.

Bestätigt sich der Verdacht auf eine Erkrankung der Hypophyse, ist im Anschluss meist eine bildgebende Diagnostik erforderlich. In der Regel geschieht das durch eine Magnetresonanztomographie (MRT). Weil Raumforderungen der Hypophyse manchmal den Sehnerv beeinträchtigen, können ergänzend augenärztliche Untersuchungen erforderlich sein.

Adenome der Hypophyse sind in den allermeisten Fällen gutartige, langsam wachsende Raumforderungen. Trotzdem können sie für Probleme sorgen, entweder weil sie unkontrolliert Hormone produzieren oder weil sie durch ihre Größe Druck auf benachbarte Strukturen ausüben und gesundes Gewebe beeinträchtigen. Dadurch kann es beispielsweise zu einer Hypophysen-Insuffizienz kommen. Drückt ein Adenom auf den Sehnerv, können Gesichtsfeldstörungen die Folge sein. Kleinere Adenome verursachen aber häufig gar keine Beschwerden. Dann reicht es aus, sie weiter zu beobachten, eine Behandlung ist nicht zwingend erforderlich.

Bösartige Hypophysen-Tumoren (Hypophysen-Karzinome) kommen extrem selten vor. In der Regel bleibt ein Hypophysen-Adenom gutartig und bildet keine Metastasen. Jedenfalls benötigen aggressive Tumorverlaufsformen, wie zum Beispiel rasch wachsende Tumore, regelmäßige Kontrollen durch erfahrene Endokrinolog:innen, sowie eine individuelle Therapieplanung.
Ein Hypophysen-Adenom sollte dann operativ entfernt werden, wenn es Beschwerden verursacht. Diese können einerseits bei Adenomen, die keine Hormone produzieren (= nicht funktionelle Hypophysenadenome), durch die Größe oder die Lage in der Nähe des Sehnervs bedingt sein. Andererseits ist bei Hormonproduktion auch bei sehr kleinen Tumoren eine Operation meist die Therapie der ersten Wahl. In den meisten Fällen kann die Operation schonend in minimal-invasiver Technik erfolgen.